SparkassenZeitung 04/20 BETRIEB UND BANKSTEUERUNG 27 mit mittel- und langfristiger Laufzeit die Zahlungen für bis zu zwölf Monate ein- stellen. Zusätzlich – oder auch alternativ – kann die Laufzeit der Darlehen um bis zu 24 Monate verlängert werden, um die Höhe der Rate zu drücken. Möglich sei dies „ohne besondere Formalitäten“, sagt Sparkassenpräsident Brandstätter. Zudem gebe es weder „Zu- satzkosten noch Zinsänderungen“. Ziel sei es, „die Kunden, welche bei einer oder mehreren Südtiroler Banken Kredite lau- fen haben, bestmöglich zu unterstützen, damit sie die Krise so gut wie möglich meistern können“. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen in die Insolvenz schlittern oder Besitzer von Eigentumswohnun- gen und Eigenheimen ihre Immobilie ver- lieren. Die Quote der Haushalte, die im Wohneigentum leben, beträgt im ländlich geprägten Südtirol mehr als 70 Prozent. „In dieser delikaten Zeit ersuchen wir un- sere Kunden, die sich in finanziellen oder Liquiditätsschwierigkeiten befinden, früh- zeitig Kontakt mit ihrer Hausbank aufzu- nehmen, um die Situation offen zu bespre- chen und Lösungen zu finden“, schreiben die Präsidenten und Generaldirektoren der Südtiroler Kreditgeber in einer gemein- samen Erklärung. Fünf Tage später hat die Südtiroler Landesregierung nachgezogen und ihrerseits Stundungen im vergleich- baren Umfang bei den von ihr über den Rotationsfonds der Provinz vergebenen Unternehmensfinanzierungen möglich gemacht und Kapitalhilfen für Unterneh- men zugesagt. Perspektiven schaffen „In der derzeitigen Phase geht es vor al- lem darum, Liquiditätsengpässe zu ver- hindern“, sagt Claudio Corrarati, Prä- sident der Südtiroler Vereinigung der Handwerker und Kleinunternehmer und Koordinator von Rete Economia – Wirt- schaftsnetz, der Dachorganisation der re- gionalen Handwerks- und Unternehmer- verbände. Die Kooperation von Sparkasse und Volksbank, die jeweils einen Marktan- teil von rund 20 Prozent haben, sowie den Raiffeisenkassen stütze die Wirtschaft in der Provinz. „Die kleinen und mittelstän- dischen Unternehmen müssen eine Per- spektive bekommen“, sagt Corrarati. Entscheidend sei dabei, dass fällig werdende Zahlungen in die Zukunft ver- schoben werden könnten, damit Unter- nehmen und Haushalte nicht „in Kon- kurs oder Finanzprobleme geraten“, sagt Georg Lun, Direktor des Instituts für Wirt- schaftsforschung der Handelskammer Bo- zen. Das hochverschuldete Italien könne der Wirtschaft nur begrenzt helfen. Zwar hat die Regierung in Rom ein 25 Milliar- den Euro schweres Hilfspaket geschnürt. Doch dies ist deutlich weniger, als etwa die deutsche Regierung aufwenden will, um Härten für Unternehmen, Selbstständige und Lohnempfänger abzufedern. Allein für dieses Jahr plant die Bundesregierung dazu eine Neuverschuldung von 150 Milli- arden Euro. Hingegen habe Italien „eigent- lich keine Spielräume für die Erhöhung der Staatsausgaben“, sagt Lun. Weil nicht klar ist, wann die ersten Hilfszahlungen aus Rom fließen, hat der Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol (hds) jetzt in einer Dringlich- keitssitzung ein erstes Stützungspaket über 500 000 Euro für Mitgliedsbetriebe aufgelegt, die durch die vom Staat ver- ordneten Schließungen von Geschäf- ten in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Lediglich Lebensmittelgeschäfte, o k n e h c o s I a n a l t e v S l / y m a A / s e g a m I s u i t i r u a M , l o r i t d ü S e s s a k r a p S : s o t o F Zeitungskioske und Zigarettengeschäfte sind in Italien noch geöffnet. Unterneh- men, die nicht mehr verkaufen könnten, „benötigen dringend Hilfe und finanzi- elle Unterstützungsmaßnahmen“, sagt hds-Präsident Philipp Moser. „Der Schulterschluss der Banken be- ruhigt die Unternehmen und die Beschäf- tigten“, sagt Horst Unterfrauner, Gründer und Geschäftsführer der Bozener Unter- nehmensberatung RCM Solutions. Zwar sei die Wirtschaft in der deutschsprachi- gen Provinz robust und verfüge mit den Sektoren Tourismus, produzierendes Ge- werbe, Handel und Landwirtschaft über mehrere Standbeine. „In den vergange- nen Jahren wurde jedoch sehr viel inves- tiert, um auf dem neuesten Stand zu sein“, hängt allein davon ab, wann der Virus be- siegt ist und die Ausgangssperren wie- der aufgehoben werden. Wobei einzel- ne Sektoren unterschiedlich betroffen sind. Im Vinschgau, der landwirtschaftli- chen Herzkammer der Provinz, zählen die Obstbauern eher zu den Gewinnern der Krankheitswelle. Obst und Gemüse wür- den stark nachgefragt, sagt Leo Tiefentha- ler, Obmann des Südtiroler Bauernbunds, in einem Interview mit der „Neue Südtiro- ler Tageszeitung“. „Der ganze Konsum hat sich von der Restauration ins Privatleben verlagert.“ Und um sich gegen den Virus zu schützen, würden die Menschen nun verstärkt auf eine gesunde Ernährung setzen. Hingegen sei der Weinverkauf um 80 bis 90 Prozent eingebrochen. Zum ei- „Es ist das Ziel, die Kunden, die bei einer oder mehreren Südtiroler Banken Kredite laufen haben, bestmöglich zu unterstützen, damit sie die Krise so gut wie möglich meistern können.“ GERHARD BRANDSTÄTTER, PRÄSIDENT DER SÜDTIROLER SPARKASSE sagt Unterfrauner. Hotels und Pensionen hätten ihre Zimmer modernisiert, Skige- biete Beschneiungsanlagen eingerichtet, Unternehmen ihre Produktionskapazi- täten heraufgefahren. Jetzt gehe es dar- um, „die Südtiroler Wirtschaft zu stabili- sieren, damit sie sich auf die kommenden Veränderungen vorbereiten kann“, sagt der Unternehmensberater. „Zwischenfi- nanzierungen, Stundungen von Darle- hen ohne zusätzliche Kosten und mit ein- fachen Verfahren sind gepaart mit dem Programm der Landesregierung die rich- tigen Schritte.“ Wie stark Südtirols Wirt- schaft von der Krise beeinträchtigt wird, nen, weil der Tourismus komplett zum Er- liegen gekommen ist. Zum anderen, weil der Export in andere Länder kaum noch möglich sei. „Zum Teil weigern sich Spe- ditionen, Lastwagen in andere Länder zu schicken, weil ihre Fahrer nach der Rück- kehr unter Umständen in Quarantäne müssen“, sagt Tiefenthaler. Dass die bis- lang von Rom und der Südtiroler Lan- desregierung beschlossenen Hilfsmaß- nahmen ausreichen, glaubt der Chef des Bauernbunds nicht. „Je nach Dauer der Krise und der weiteren Entwicklung wer- den noch ein zweites oder drittes Hilfspa- ket geschnürt werden müssen.“ Für die Betreiber von Gaststätten, Hotels und Pensionen gelten die Zahlungsaus- setzungen bei den Krediten als Segen. Durch die gemeinsame Entscheidung von Sparkasse, Volksbank und Raiffeisenkas- sen könnten die Betriebe die Zeit über- brücken, bis wieder Urlaubsgäste in die Alpentäler reisen können. Durch Kurzar- beiterregelungen seien wiederum die Be- schäftigten geschützt. Banken, Sparkasse und Landesregierung würden so „in unse- rer kleinstrukturierten Betriebswelt alles unternehmen, um Mitarbeiter nicht fallen zu lassen“, sagt Unterfrauner. Der Faktor Vertrauen Wenn die Pandemie vorüber ist und die Reisebeschränkungen wieder aufgeho- ben sind, dürften der Südtiroler Touris- mus und die ihn finanzierenden Institute von einem ganz speziellen Faktor profitie- ren: Vertrauen. Die Südtiroler Skigebie- te und mit ihnen die Hoteliers und Pensi- onsbetreiber hatten sich Ende der ersten Märzwoche entschieden, die Saison vor- zeitig zu beenden. „Die Gesundheit der Menschen hat für uns oberste Priorität“, begründete Manfred Pinzger, Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbands, die Entscheidung. Es müsse verhindert wer- den, dass infizierte Gäste andere Urlauber und Beschäftigte anstecken. Zuvor war der erste Corona-Fall in dem bei Skiurlau- bern besonders gefragten Grödnertal be- kannt geworden. Die italienische Regierung rang sich erst am darauffolgenden Montag dazu durch, landesweit die Skigebiete vom 10. März an zu sperren. Österreichs Re- gierung schloss ihre Wintersportareale nochmals fünf Tage später. Dabei war der Tiroler Skiort Ischgl schon zwei Wochen zuvor eine Virenschleuder. Eine Reihe skandinavischer Länder hatte die Behör- den in Wien und der Landeshauptstadt Innsbruck bereits am 1. März gewarnt, dass sich Hunderte rückkehrende Urlau- ber aus der Wintersportdestination mit dem Virus infiziert hatten – ohne dass die österreichischen Behörden reagierten. – „Neue und dramatische Erfahrung“: Gerhard Brandstätter, Präsident der Südtiroler Sparkasse.